Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus der Beobachtung von Doppelsternen
nach Einstein und Infeld

Im Büchlein "Die Evolution der Physik" von Albert Einstein und Leopold Infeld (Rowohlt Verlag, Hamburg, 61.-70. Tausend, April 1958, Seiten 117-118) schreiben die Autoren, dass die Bewegung eines Doppelsterns ganz verwischt erscheinte, wenn die Lichtgeschwindigkeit von der Quellengeschwindigkeit abhängen würde. Wie sähe es denn aus, wenn das klassische Gesetz der Geschwindigkeitsaddition auch für Licht gälte?

Betrachten wir folgende, vereinfachte Situation:


Schema der Sternkreisbahn

Schema: Ein Stern bewege sich gleichmässig auf einer Kreisbahn mit Radius r. Die Bahngeschwindigkeit sei v und die Beobachtungsrichtung liege in der Bahnebene. Die Erde sei weit entfernt. Nach dem Gesetz der klassischen Geschwindigkeitsaddition hat das Licht dann "oben" die Geschwindigkeit c-v, weil sich der Stern von der Erde entfernt, und "unten" c+v, weil es sich auf die Erde zu bewegt. Ist der Stern weit genug von der Erde entfernt, so kann das Licht, welches später in der unteren Position ausgesandt wird, die Erde gleichzeitig mit dem oben ausgesandten Licht erreichen, weil das oben ausgesandte Licht langsamer ist. Diesen Abstand Stern-Erde wollen wir kritische Distanz d_crit nennen.
Mit einfacher Algebra und etwas Numerik lässt sich ausrechnen, an welchen Positionen der Stern zu einer bestimmten Beobachtungszeit gesehen werden kann. Das animierte Resultat dieser Rechnungen ist unten zu betrachten.



Stern0_01 animated gif

Animation 1: Beobachtungsdistanz 0.01 d_crit  (d.h. ziemlich nahe).
Die Bewegung erscheint so, wie man es nach Kepler erwarten würde. Die (leicht schräg gestellte) Kreisbahn wird gleichmässig durchlaufen.




Stern0_3 animated gif

Animation 2: Beobachtungsdistanz 0.3 d_crit.
Die Bewegung erscheint ungleichmässig. Im hinteren, erdabgewandten Teil bewegt sich der Stern scheinbar schneller als im näher gelegenen Teil der Bahn.




Stern1 animated gif

Animation 3: Beobachtungsdistanz d_crit.
Die Bewegung erscheint sehr ungleichmässig. Es kann sogar passieren, dass der Stern kurz mehrfach sichtbar ist. Vor allem die Bewegung auf der abgewandten Seite der Bahn erscheint derart schnell, dass sie in der Animation nicht sichtbar ist resp. sogar in der falschen Richtung erfolgt.




Stern3 animated gif

Animation 4: Beobachtungsdistanz 3 d_crit.
Der Stern ist mehrfach sichtbar. Die Bahn wird im hinteren Teil scheinbar in der falschen Richtung durchlaufen.




Stern10 animated gif

Animation 5: Beobachtungsdistanz 10 d_crit.
Der Stern ist vielfach sichtbar und durchläuft die Bahn im hinteren Teil scheinbar in der falschen Richtung. Zwei Sternbilder laufen aufeinander zu und verschwinden dann. Dafür entstehen scheinbar aus dem Nichts zwei neue Sterne auf der anderen Seite der Bahn.


Berechnet man die "kritische Distanz" d_crit, bei der nach klassischer Physik Doppelbilder auftreten müssten, so stellt sie sich als erstaunlich klein heraus (einige Lichtjahre). Die Unregelmässigkeiten wären sehr leicht zu beobachten, da man Doppelsterne noch in Millionen von Lichtjahren Entfernung spektroskopisch untersuchen kann. Da aber die Bewegung anscheinend den normalen, Keplerschen Gesetzen folgt, muss die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Quellengeschwindigkeit sein.


last update: 13. September 2006 / Martin Lieberherr